Bericht Elternabend

„Beziehung kommt vor Erziehung!“ – Wie Eltern bei dem herausfordernden Thema „Grenzen setzen“ trotzdem gelassen bleiben können

Zu ihrem zweiten Themenelternabend lud die Kita 11 am vergangenen Donnerstagabend (04.05.23) interessierte Eltern in die „Kinderinsel“ ein. Lilya Ramme-Traczyk, Leiterin des Beratungszentrums Mitte, widmete sich einem Thema, das im Familienalltag nicht selten herausfordert, verunsichert oder gar verzweifeln lässt, nämlich die Frage nach „Regeln, Grenzen, Konsequenzen“. Die rege Beteiligung der Mütter und Väter an dem Vortrag mit Diskussion spiegelte das hohe allgemeine Interesse an diesem Thema wider.

„Brauchen Kinder Grenzen und wie viele?“, „Was mache ich, wenn sich das Kind nicht an Regeln hält?“ „Geht es auch ohne schimpfen und bestrafen?“ – Solche oder ähnliche Fragen stellen sich Eltern immer wieder. Natürlich, denn einerseits wollen sie ihrem Kind möglichst viele Freiheiten zugestehen, andererseits kann ein Zusammenleben ohne Grenzen nicht funktionieren. Hier eine klare Linie zu verfolgen, ist nicht immer leicht und gleicht zuweilen einem Balanceakt. Dass Kinder grundsätzlich Grenzen brauchen, darüber waren sich alle Eltern an diesem Abend einig. Grenzen bieten Orientierung, Schutz und Struktur, an ihnen können Kinder wachsen und sich entwickeln.

Aber was tun, wenn das Kind die vereinbarten Regeln nicht einhält? Autoritäre Bestrafungen ohne Zusammenhang zum Fehlverhalten können das Selbstwertgefühl des Kindes sowie das Verhältnis zwischen Eltern und Kind langfristig belasten. Förderlicher ist es, das Kind eine natürliche Konsequenz auf sein Verhalten erfahren zu lassen und die Folgen dadurch nachvollziehbar zu machen. Wirft es ein Glas Wasser um, sollte es aufwischen, anstatt sechs Wochen lang kein Eis zu bekommen. Konsequenzen dienen dem Lernen und bieten dem Kind zudem die Möglichkeit, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen.

Doch nicht nur das Kind, auch der Erwachsene ist zum Lernen aufgefordert. Es lohnt sich, bei Regelverstößen die Perspektive des Kindes einzunehmen, um seine Beweggründe zu verstehen oder ihm zu erklären, was es anders machen könnte. „Viele Kinder, die falsches Verhalten zeigen, kennen keine Alternativen“, betonte Lilya Ramme-Traczyk. Wenn ein Kind ein anderes haut, möchte es vielleicht nur in Beziehung gehen, weiß aber nicht, wie es das umsetzen kann. Ihm neue Möglichkeiten vor Augen zu führen, kann hierbei sehr hilfreich sein und sein Handlungsrepertoire erweitern.

Die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und über die Auswirkungen des eigenen Handelns nachzudenken, entwickelt sich nicht von alleine und auch nicht von heute auf morgen. Das braucht viel Zeit und Eltern können ihr Kind dabei unterstützen. „Was glaubst du, wie fühlt sich das andere Kind, wenn du ihm die Puppe wegnimmst?“„Wie würde es dir dabei gehen?“ –  Solche oder ähnliche Fragen als Bestandteil einer induktiven Erziehung sind sehr hilfreich und fördern auf lange Sicht die Entwicklung von Empathie, Mitgefühl und prosozialem Verhalten.

Ob das Kind die Regeln befolgt, hängt natürlich davon ab, ob es sie versteht. Verwenden wir selbst eine Sprache, die dem Alter des Kindes angemessen ist? Oder sprechen wir manchmal zu kompliziert oder zu viel? Kommen unsere Botschaften so an, wie wir das möchten?

„Nicht-Sätze können das Kind überfordern und verunsichern (und bitte denken Sie jetzt nicht an ein gelbes Krokodil!). Es ist besser, zu sagen "Halt dich gut fest!" anstatt "Pass auf, dass du nicht runterfällst!", denn mit Verneinungen erreichen wir oft das Gegenteil. Förderlich sind positive Aussagen mit klaren Handlungsanweisungen, denn sie geben dem Kind Sicherheit.

Apropos positiv. Lilya Ramme-Traczyk berichtete von Eltern in ihrer Beratung, die den positiven Blick für ihr Kind verloren haben: „Wenn nur noch das Negative an den Kindern gesehen wird, dann ist es sehr schwierig, eine gute Beziehung aufzubauen“. Doch positive Beziehungen zu erfahren, ist ein menschliches Grundbedürfnis und das, was Kinder in ihrer Entwicklung am meisten brauchen. Deshalb sollte „Beziehung“ immer vor „Erziehung“ stehen.

Ein wesentlicher Bestandteil davon ist Vertrauen. Vertrauen in unser Kind, in seine Fähigkeiten und dass es prinzipiell lernen kann „das Richtige“ zu tun. Schauen wir doch im Alltag mehr auf all das, was unserem Kind gelingt, was es gut und richtig macht. Wenn wir das Kind dafür loben und positiv bestärken, dann kann das viel mehr bewirken, als nur sein Fehlverhalten zu kritisieren. Je mehr es sich wertgeschätzt fühlt und als selbstwirksam erlebt, desto mehr wird es daran wachsen. Begleiten wir unsere Kinder stets mit einem positiven Blick und geben ihnen so die Möglichkeit, sich positiv zu entwickeln. Jeden Tag aufs Neue.

 

Die Kita 11 „Kinderinsel“ möchte Eltern mit ihren Themenelternabenden ein Forum für Information und Austausch bieten zu Fragen rund um Erziehung und frühkindliche Entwicklung. Was bewegt oder interessiert Sie? Sprechen Sie uns gerne an.

 

Das Beratungszentrum Mitte befindet sich in der Offenbacher Straße 17 in Dietzenbach. Es bietet verschiedene Beratungs- und Betreuungsangebote für Menschen in unterschiedlichen Lebens- und Notlagen an. Fragen, Probleme, Konflikte und schwierige Lebenssituationen können (und müssen) nicht immer alleine bewältigt werden. Kontakt: 06074 8276-0, bzmitte@diakonie-of.de